Podcast Transkript - Isabelle Rogat, HORIZONT "40 under 40"
- Rabia Kayhan
- vor 5 Tagen
- 16 Min. Lesezeit
leadHER Podcast Isi x Merlene
Isi:
Ein bekannter Content Creator würde dich nie für das erste Video auslachen, das du postest. Because they know what it takes.
Merlene:
Hi, ich bin Merlene und ich treffe mich jede Woche mit Frauen in Führungspositionen, um mit ihnen über ihren Karriereweg zu sprechen. Ziel ist es dabei, auch wenn wir heute noch nicht 50-50 auf Führungsebenen haben, den nächsten Generationen eine Vielfalt an Vorbildern zu bieten. Mein heutiger Gast ist Isabelle Rogat.
Mit nur 27 Jahren ist sie Geschäftsführerin der Werbeagentur Oderline. Vorher war sie bei Think Head of Innovation and DEI. Wir sprechen heute darüber, welchen Effekt ihre erste Mentorin auf ihre Karriere hatte, warum die Trendscoutin davon abrät, „cool wirken“ zu wollen, und wie sie Rollenbilder in der Beziehung zu ihrem Verlobten neu definiert. Darüber redet sie heute mit mir.
Enjoy.
Ich hab mich so auf heute gefreut. Ich hab auf dem Weg hierhin „Best Friend“ oder so gehört.
Dieses „got her own money“ … Nein, nein, nein. Ja, weil ich dachte mir so, das ist der richtige Vibe, um heute Isi zu treffen.
Isi:
Ja, sowas von. Ich freue mich so sehr, dass ich hier bin. Du bringst so viel Diversity mit in unseren Podcast.
Merlene:
Du bist eine von „Horizon“, heißt Horizont.
Isi:
Oh mein Gott, sie müssten mich Horizont nennen. Aber Horizon, ich bin dafür, dass sie so heißt.
Merlene:
„40 under 40 – Marketingtalente to watch“. Geschäftsführerin von Oderline, vorher Head of Innovation and DEI bei Think.
Herzlich willkommen, Isi.
Isi:
Dankeschön, ich freue mich sehr. Es ist sehr professionell hier, nicht, dass ich irgendetwas anderes erwartet hätte.
Merlene:
Sehr gut. Du bist Marketing-Expertin. Magst du vielleicht erst mal erklären, was Oderline ist?
Isi:
Das ist schon die erste schwierige Frage. Wir sind so viel. Ich würde sagen, wir haben vor ein paar Wochen gerade eine neue Positionierung rausgebracht. Ich werde sie jetzt nicht eins zu eins vortragen, aber sie lautet: „Wir sind die neue Lead Agency“, also eine neue Ära, wie Branding und Marketing heutzutage funktionieren müssen.
Ich glaube, zusammengefasst sind wir der Partner in Crime für Brands, die sich für die 2020er bereitmachen wollen. Marken, die Lust haben, dass ihre Marke nicht nur irgendwo im TV oder auf Plakaten gut funktioniert oder mal einen Social-Media-Post hat. So, shocker: Oft funktioniert es halt so noch. Sondern wir schauen, wie Marken wirklich Teil der Kultur werden können. Wir analysieren, wie Internetkultur und soziale Strukturen funktionieren und wie man sich da rein „sneaken“ kann, um hoffentlich beliebter zu werden, als es die Werbung heutzutage oft ist.
Merlene:
Ja, ich finde es total spannend, wenn Werbung so konzipiert ist, dass sie sich unauffällig in ein Medium einfügt. Weißt du, was ich meine? Auch wenn Brands es auf Social Media gut umsetzen, finde ich das beeindruckend. Häufig sieht man noch Marken mit klassischem Marketing, die superproduzierte TV-Spots hochglanzmäßig einfach auf Social Media hochladen – und das dann auch noch im Querformat für Hochformat. Wo man sich denkt: Nein! Und dann fragen sie sich, warum das nicht funktioniert. Es wirkt einfach unauthentisch.
Isi:
Voll. Ich glaube, da fängt es schon bei den Basics an. Zum Glück müssen wir nicht mehr ganz so weit vorne anfangen – dass zumindest die Größenverhältnisse von Social-Media-Assets bekannt sind. Aber das Verständnis dafür, wie authentisch und kulturnah etwas gestaltet sein muss, fehlt oft noch. Wir müssen uns fragen: Wie kreativ darf ich etwas denken? Wie sehr muss ich es aus der Perspektive der Zielgruppe denken? Da ist noch ein Weg zu gehen.
Merlene:
Wie bist du eigentlich zum Marketing gekommen?
Isi:
Das ist eine gute Frage. Ich wollte immer etwas mit Kommunikation und Medien machen. Das klingt so basic, I know. Aber ich finde, Medien spielen eine krass wichtige Rolle – für Kreativität, Demokratie und alles dazwischen. Ich wollte ursprünglich Kommunikationsdesignerin werden.
Ich hatte alles schon fertig: Bewerbungen bei der HAW in Hamburg, coole Mappen, Tests. Und dann, ungefähr eine Minute nachdem ich die ganzen tausend Euro ausgegeben hatte, fiel mir auf: Ich möchte doch lieber strategisch arbeiten. Deswegen habe ich dann bei Otto ein duales Studium angefangen. Nebenbei habe ich aber immer kreative Elemente in meinem Leben behalten: Ich designe, male, habe Social-Media-Content gemacht, einen Podcast gehabt, Wettbewerbe mitgemacht. Also ich versuche, meine kreativen Elemente zu bewahren. Aber ich bin froh, dass ich es so gemacht habe. Sonst hätten wir uns auch nie kennengelernt.
Merlene:
Perfekte Antwort. Aber es ist ja ein super kompetitives Feld – Medien und Marketing. Wie hast du da überhaupt den ersten Fuß in die Tür bekommen? Weil das stelle ich mir irgendwie schwierig vor.
Isabelle:
Ich glaube, ich bin eine sehr radikal proaktive Person. Meistens pitche ich mich oder Projekte, die ich machen will, bevor ich mir Gedanken darüber mache, ob das vielleicht Quatsch ist. Und dann passiert es oft schneller, als ich selbst darüber nachdenken könnte.
Zum Beispiel bei Otto: Ich bin super früh zur damaligen Diversity Managerin gegangen und meinte: „Hey, nehmt ihr auch Studierende in eure Netzwerke auf?“ Und sie sagte: „Jetzt schon.“ Das braucht immer beide Komponenten: die eigene Proaktivität und Menschen, die sagen: „Ja, klar. Haben wir bisher nicht gemacht, aber warum nicht?“
Wenn man sich meinen Weg so anschaut, baut das alles aufeinander auf. Ich habe immer versucht, eine Chance, die ich bekommen habe, in etwas Größeres zu entwickeln. Als ich bei Scholz angefangen habe, kannte ich meine Mentorin von einem anderen Netzwerk. THINK habe ich gefunden, weil mich jemand aus einem anderen Kreis connected hat. Zu Oderline bin ich gekommen, weil ich mich wieder in neue Kreise manövriert habe und Ideen gepitcht habe. Es ergibt alles im Nachhinein irgendwie Sinn. Aber der Grundstein ist, glaube ich, Proaktivität.
Merlene:
Nice. Ich glaube, das ist das erste Mal, dass so richtig klar wird, warum Netzwerken so wichtig ist. Du hast das Netz gerade wirklich visuell gewebt. Wie kam es eigentlich, dass du bei Otto eine Mentorin hattest?
Isabelle:
Das hat sich irgendwie organisch entwickelt. Bei mir kommt vieles immer erst über den Inhalt: Ich hatte Lust, in ein Frauennetzwerk reinzugehen, etwas Größeres zu machen – fernab von E-Commerce (no shade). Wir haben das bei Otto nie explizit ausgesprochen, dass sie meine Mentorin ist. Aber faktisch war sie es. Sie hat mir bei den richtigen Sachen freien Lauf gelassen und mich bei anderen Dingen mitgenommen. Dadurch habe ich verstanden, wie wertvoll Mentorship ist. Besonders in Netzwerken wie NUSHU, wo ich durch Otto reingekommen bin.
Das war für mich der Moment, in dem ich systematisch verstanden habe, wie wichtig Mentorship ist. Es passiert oft unbewusst, vor allem in männlichen Netzwerken, weil es da organisch stattfindet. Aber man kann auch proaktiv danach suchen. Für mich war der Einstieg das Interesse an ihrer Arbeit – und die Erkenntnis, dass sie eine empowernde, tolle Person ist.
Merlene:
Habt ihr darüber gesprochen, dass sie deine Mentorin ist? Oder war das eher unausgesprochen?
Isabelle:
Doch, wir waren uns irgendwann einig, dass es so ist. Sie hat auch Empfehlungsschreiben für mich geschrieben, mit ganz viel Herzblut. Oder sie hat mich in Kreisen vorgeschlagen. She did everything a mentor does. Aber unsere Beziehung war nie so formalisiert, dass wir das explizit benannt hätten. Es war einfach menschlich.
Merlene:
Ich finde das irgendwie krass. Du bist jünger als ich und schon wesentlich erfolgreicher. Ich wollte das nur kurz sagen. Also das ist jetzt auch nicht majorly ...
Isabelle:
Doch, schon. Fünf Jahre Unterschied sind schon was.
Merlene:
27 Jahre. Okay. Aber ich finde es krass. Manchmal kommt man ja in diese Vergleichsfalle.
Isabelle:
Ja, komplett.
Merlene:
Früher hätte ich vielleicht gedacht: „Oh, krass, sie hat das schon erreicht, und ich habe das noch nicht.“ Vielleicht wäre ich sogar ein bisschen eifersüchtig gewesen. Aber mittlerweile freue ich mich einfach für dich. Du bist für mich ein Vorbild und eine Inspiration.
Isabelle:
Das ist so schön zu hören. Aber ich kenne das Gefühl. Ich mache das genauso. Trotzdem: Don't do that.
Merlene:
Ja, ich glaube, es ist eine Veränderung, die ich an mir sehe. Aber ich stelle es mir auch anspruchsvoll vor, mit 26 Geschäftsführerin einer Agentur zu sein. Wie bezeichnet ihr euch – Marketing- oder Werbeagentur?
Isabelle:
Oh, da haben wir lange drüber gesprochen. Eigentlich sagen wir „Next-Gen-Agentur“. Wir sind weder eine klassische Kreativagentur noch eine Digitalagentur. Wir haben gesagt: Wir sind die nächste Generation dessen, wie Agenturen sein sollten. Deswegen passt „Next-Gen-Agentur“ am besten.
Merlene:
Nice, okay. Aber was sind die größten Learnings, die du in deinem ersten Jahr als Geschäftsführerin hattest?
Isabelle:
Übermorgen ist es genau ein Jahr. Perfektes Timing, oder? Ich muss sagen: Oderline ist der ideale Ort, um so eine Rolle zum ersten Mal auszuführen. Wir haben ein hierarchiearmes Umfeld, das super eigenverantwortlich ist. Das macht meine Rolle anders als in klassischen Agenturen, wo es oft viel mehr Schichtung gibt. Bei uns machen die Menschen sehr viel eigenständig. Und das schafft ein besonderes Miteinander. Es ist ein Umfeld, in dem man sich gegenseitig hebt und unterstützt.
Und eine große Erkenntnis für mich war: Wenn man jung ist und viel will, gibt es immer Leute, die das hinterfragen. „Warum glaubst du, dass du das kannst?“ Aber meistens spiegelt das nur deren eigene Unsicherheiten wider. Ich habe gelernt, dass das nichts mit mir zu tun hat. Es ist okay, viel zu wollen. Und es ist wichtig, sich das nicht ausreden zu lassen.
Merlene:
Das ist ein so wichtiger Punkt. Und es gibt ja auch keine absolute Skala von Erfolg. Jeder hat eine andere Definition davon. Was bedeutet Erfolg für dich?
Isabelle:
Oh, das habe ich mir selbst eingebrockt. Ich glaube, Erfolg hat für mich zwei Facetten. Zum einen: dass man selbst erfüllt ist von dem, was man tut, und stolz darauf sein kann. Es klingt vielleicht klischeehaft, aber ich finde, man muss glücklich mit dem sein, was man macht.
Ich bin keine Person, die sagt: „Hauptsache, du bist glücklich, egal, wie das Ergebnis aussieht.“ Für mich ist Erfolg auch mit dem Output verbunden. Aber gleichzeitig hat Erfolg für mich sehr viel mit Einfluss auf die Gesellschaft zu tun. Ich bin weniger durch KPIs oder Umsatz getrieben – was ironisch ist, wenn man in der Werbung arbeitet. Für mich geht es darum, Narrative zu prägen, Ideen zu shiften und einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten.
Geld ist natürlich auch wichtig. Aber es ist für mich nie die oberste Priorität gewesen. Ich bin sehr privilegiert, wie ich gerade leben darf. Aber Geld ist für mich nur ein Mittel, nicht das Ziel.
Merlene:
Good to know. Ja, Geld ist wichtig, aber irgendwann ist es nicht mehr das Entscheidende. Es gibt so einen Punkt, wo es keinen großen Unterschied mehr macht.
Isabelle:
Total. Und ich finde, es ist auch legitim, wenn Erfolg für jemanden monetär geprägt ist – je nachdem, wo man im Leben steht. Als Studentin oder wenn man gerade anfängt, ist Geld natürlich eine große Sache.
Merlene:
Ja, ich sehe das auch so. In meinem Freundeskreis sehe ich oft, dass Leute entweder mit ihrem Gehalt zufrieden sind oder mit dem, was sie tun. Aber selten beides gleichzeitig. Das ist eine echte Herausforderung im Leben, finde ich – das zu vereinen.
Isabelle:
Komplett. Und das ist ein großes Privileg, wenn man beides hat. Ich finde, es ist wichtig, realistisch zu bleiben, und zu erkennen, dass ein Job niemals 100 % aller Bedürfnisse abdecken wird. Aktuell habe ich eine gute Mischung aus finanzieller Freiheit, Flexibilität und kreativer Erfüllung.
Unser Umfeld bei Oderline ist sehr flexibel und vertrauensbasiert. Es ist uns egal, wann oder wo die Leute arbeiten, solange die Arbeit mit Leidenschaft gemacht wird. Das ist ein großes Privileg.
Merlene:
Wenn du bis hierhin gehört hast und unser Gespräch dich bewegt, könntest du uns enorm helfen, mehr Sichtbarkeit für „leadHER“ zu schaffen, indem du diesen Podcast abonnierst, bewertest oder kommentierst. Danke! Und jetzt geht's weiter.
Isabelle:
Ich finde die Aussage „Geld ist völlig egal für Glück“ auch verstrahlt. Wir leben in einem Kapitalismus. Wer genug Geld hat, hat bestimmte Levels an Freiheit. Es ist wichtig, das zu benennen.
Früher hat es mich total genervt, wenn mir Mentor:innen oder Bekannte geraten haben: „Mach einfach, was dich glücklich macht.“ Klar, das ist ein schöner Ansatz. Aber wenn man einen bestimmten Lebensstil möchte, ist es nicht immer so einfach. Man kann nicht alles machen, worauf man Lust hat, ohne ein Businessmodell dahinter zu bedenken.
Ich mag einen Mix aus 90 % Utopie und 10 % Realismus.
Merlene:
Nice, nice. Ich fand es übrigens auch schön, dass du vorhin betont hast, wie viel Einfluss Marketing und Kommunikation auf die Gesellschaft haben können. Oft vergisst man das, weil diese Begriffe so alltäglich wirken. Aber sie können wirklich unser Bild von Dingen prägen.
Isabelle:
Ja, das sehe ich genauso. Ich finde, Kommunikation hat so viel Kraft, um Perspektiven zu verändern. Und ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich mich in diesem Berufsfeld so wohlfühle.
Merlene:
Was ich bei dir auch bemerkenswert finde, ist, dass du auf jeder Plattform, auf der ich dir begegne, sehr authentisch wirkst. Das ist nicht immer leicht, gerade auf Social Media. Es kann schnell künstlich wirken. Aber bei dir wirkt es echt – so, wie du im real life bist.
Isabelle:
Danke dir. Ich glaube, bei mir liegt das daran, dass ich vieles einfach langweilig finde – zum Beispiel bestimmte Konventionen, wie man sich zu kleiden oder zu verhalten hat. Ich finde, wenn man sich selbst treu bleibt und sich nicht um solche Dinge kümmert, wird es einfacher.
Würde es manchmal helfen, nicht in einem Crop-Top zu einem Vorstandsmeeting zu kommen? Bestimmt. Aber ich habe einfach keine Lust, mich zu verstellen.
Merlene:
Das ist interessant. Dieses Altersthema, über das wir gerade gesprochen haben – dass manche Leute denken: „Wer denkt sie, wer sie ist?“ – wie gehst du damit um?
Merlene:
Interessanterweise habe ich über das Thema Führung vor ein oder zwei Jahren mit Michael Trautmann gesprochen, beim Xing Song Festival. Wir haben darüber diskutiert, dass in Unternehmen häufig Leute befördert werden, die lange dabei sind oder ihren Job fachlich gut machen – aber ohne darauf zu achten, ob sie People-Management-Skills haben. Das ist doch eigentlich eine komplett andere Aufgabe, oder?
Isabelle:
Absolut. Fachliche Kompetenz ist hilfreich, klar. Aber Führung bedeutet mehr als das. Es geht darum, Menschen zu motivieren, zu führen und ein Team zusammenzuhalten.
Merlene:
Du hast ja auch bei Think gearbeitet, das ist ja seine Agentur. Und du hast dort eine sehr steile Karriere hingelegt.
Isabelle:
Ja, ich war zweieinhalb Jahre bei Think. Innerhalb eines Jahres bin ich zur Head of Innovation aufgestiegen. Das ging tatsächlich sehr schnell.
Merlene:
Wie kam es dazu?
Isabelle:
Das war eine Mischung aus den richtigen Leuten und Momentum. Mein damaliger Chef, Lukas Hartmann (Grüße gehen raus!), war von Anfang an offen für Neues. Als ich mich bei Think beworben habe, pitchte ich, dass ich das Trendmanagement aufbauen möchte. Und er meinte: „Okay, haben wir noch nicht, musst du dann halt machen.“
Das zeigt, wie wichtig es ist, Menschen zu haben, die bereit sind, Neues zu fördern. Gleichzeitig habe ich gelernt, wie wertvoll es sein kann, in großen Strukturen kleine „inner company Startups“ zu schaffen. Bei Think Zeitgeist konnten wir Projekte anstoßen, die wir sonst vielleicht gar nicht gemacht hätten. Das war eine Win-win-Situation: Think konnte sich neu positionieren, und wir konnten spannende neue Themen vorantreiben.
Merlene:
Wie ist es eigentlich zu deiner Kolumne gekommen?
Isabelle:
Das war wieder so ein Ding von „eine Gelegenheit nutzen und ausbauen“. Ich hatte ursprünglich mit der Textchefin der W&V für ein einmaliges Interview gesprochen. Dabei meinte sie: „Wir könnten auch eine Kolumne machen.“ Ich war sofort dabei.
Seitdem bin ich ehrlich gesagt komplett schmerzbefreit, wenn es darum geht, Ideen zu pitchen. Ich habe schon so vielen Leuten etwas vorgeschlagen, da wird einem schwindelig. Aber ich meine es immer ernst.
Ich bin auch ein großer Fan davon, sich persönlich mit Leuten zu treffen. Nicht nur per E-Mail oder LinkedIn. Manchmal reicht ein Kaffee, um zu zeigen, warum einem etwas wichtig ist. Menschen verbinden sich besser, wenn sie sich direkt begegnen.
Merlene:
Das klingt nach einem sehr proaktiven Ansatz. Aber was machst du, wenn du ein „Nein“ bekommst?
Isabelle:
Es gibt verschiedene Arten von „Nein“. Es gibt das „Nein, aber vielleicht später“ oder „Nein, aber wir können was anderes machen“. Das finde ich super, weil daraus oft tolle Sachen entstehen.
Dann gibt es die absoluten Neins. Meistens werden die aber gar nicht ausgesprochen – die Leute antworten einfach nicht. Das ist okay. Ich glaube, es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass jeder mal geghostet wird. Man sieht bei anderen oft nur die Erfolge, nicht die abgelehnten Pitches.
Ich selbst habe 3.000 Dinge gepitcht, von denen viele nie was geworden sind. Aber das gehört dazu.
Merlene:
Das ist ein guter Reminder. Ich glaube, man vergisst das schnell, wenn man mitten im Alltag steckt.
Isabelle:
Voll. Und ich glaube, Energie, die man in etwas steckt, ist nie verloren. Selbst wenn aus einer Idee nichts wird, kann sie später zu etwas anderem führen.
Merlene:
Apropos Energie. Ich habe dich letztens mit deinem Verlobten gesehen – und einem Ring am Finger.
Isabelle:
Genau genommen waren es zwei Ringe, aber einer wird gerade repariert.
Merlene:
Wie ist es dazu gekommen?
Isabelle:
Das passiert, wenn man an seinem Zehnjährigen nach Paris fährt und beide denselben Gedanken haben.
Merlene:
Ihr seid seit zehn Jahren zusammen?
Isabelle:
Ja, seit ich 17 bin.
Merlene:
Wow, das ist beeindruckend. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Isabelle:
Das ist tatsächlich eine lustige Story. Ich war in der Schule bei einem Austauschprogramm in Kanada. Auf der Abschiedsparty einer der Kanadierinnen haben wir uns kennengelernt.
Im Nachhinein finde ich es spannend, dass wir uns nur wegen meiner proaktiven Ader kennengelernt haben. Ich habe mich damals für das Stipendium beworben, weil ich dachte: „Warum nicht?“ Und jetzt sind wir hier.
Merlene:
Das ist wirklich eine schöne Geschichte. Aber wie ist das mit den Rollenbildern bei euch?
Isabelle:
Wir brechen viele klassische Rollenbilder auf. Zum Beispiel bin ich diejenige, die öfter Termine verschiebt oder weniger zu Hause ist – einfach wegen der Branche, in der ich arbeite. Aber wir schaffen es, das auszugleichen.
Merlene:
Das klingt nach einer sehr modernen Beziehung. Gibt es noch andere Bereiche, in denen ihr Rollenbilder neu definiert?
Isabelle:
Definitiv. Bei uns gibt es keine klassischen, heteronormativen Rollenbilder. Zum Beispiel bin ich weniger ordentlich, was man als feministische Tat sehen könnte – zumindest möchte ich das so framen.
Aber im Ernst: Wir sind beide berufstätig und haben keine Kinder, was vieles erleichtert. Ich habe durch meine Branche oft einen etwas „high-paced“ Job, was dazu führt, dass ich oft diejenige bin, die Termine verschiebt oder weniger präsent ist. Das ist etwas, woran ich arbeite. Aber es zeigt, wie unterschiedlich Beziehungen sein können.
Merlene:
Das finde ich spannend. Ich glaube, es ist wichtig, solche Rollenbilder bewusst zu hinterfragen und neu zu definieren.
Isabelle:
Ich auch. Und ich glaube, dass viele Leute irgendwann in ihrem Leben merken, dass sie bestimmte Dinge nur gemacht haben, weil sie dachten, sie müssten. Sie folgen einem vorgefertigten Lebensskript – ob es der Job, die Beziehung oder andere Entscheidungen sind.
Viele koppeln ihre Ziele an Altersgrenzen, wie „Mit 30 will ich das erreicht haben.“ Das kann motivierend sein, aber oft ist es auch einfach nur stressig. Es ist so viel besser, sich selbst zu fragen: „Was will ich wirklich?“
Merlene:
Das setzt aber voraus, dass man sich selbst gut kennt und weiß, was man will. Manche Menschen entfernen sich durch äußere Erwartungen so sehr von sich selbst, dass sie das nicht mehr wissen.
Isabelle:
Absolut. Ich finde es deshalb wichtig, regelmäßig bei sich selbst einzuchecken.
Merlene:
Hast du dafür konkrete Tipps?
Isabelle:
Eigentlich ja, aber ehrlich gesagt halte ich mich selbst nicht immer daran. (Lacht.)
Ich habe einen Habit-Tracker, in den ich alles eintrage, was ich regelmäßig machen will. Zum Beispiel nehme ich mir vor, alle zwei Wochen eine Stunde zu reservieren, um auf mein Leben zu schauen und zu reflektieren. Ich nutze dazu Tools wie Trello, wo ich meine Aufgaben in Kategorien wie „Current Career“ und „Bigger Goals“ einteile. Das hilft mir, den Überblick zu behalten und zu sehen, ob ich mich zu sehr auf das Jetzt fokussiere und dabei das Morgen vernachlässige – oder umgekehrt.
Merlene:
Das klingt hilfreich. Aber wenn du das nicht regelmäßig machst, woher ziehst du dann deine Energie?
Isabelle:
Mich motivieren neue Ideen und Projekte. Ich liebe es, Dinge zu starten und spontan Pläne zu ändern. Diese Flexibilität gibt mir Energie.
Merlene:
Und wie geht dein Verlobter damit um? Seid ihr da ähnlich oder eher gegensätzlich?
Isabelle:
Wir sind da tatsächlich unterschiedlich. Er hat nicht mal Instagram. Das ist ein totaler Kontrast zu meiner Bubble, aber ich finde das erfrischend. Es erdet mich, weil er oft sagt: „Wollen wir einfach mal spazieren gehen?“
Er arbeitet im Bereich Mobilitätsberatung, also etwas völlig anderes. Ich finde das spannend, weil er oft direkt mit Menschen arbeitet, zum Beispiel in Tagespraktika mit Busfahrer:innen, um deren Arbeitsalltag besser zu verstehen. Das ist so bodenständig und ehrlich – ein schöner Gegenpol zu meiner Branche.
Merlene:
Das klingt wirklich nach einer guten Balance. Ich frage das übrigens auch, weil ich mehr mit erfolgreichen Frauen über ihre Partnerschaften sprechen möchte. Es ist ja eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben, wem man an seiner Seite hat.
Isabelle:
Absolut. Ich glaube, es ist wichtig, jemanden zu haben, der einen unterstützt, statt zusätzlichen Stress zu verursachen. Wir brechen viele klassische Rollenbilder auf, und ich finde, das funktioniert bei uns sehr gut.
Merlene:
Habt ihr darüber gesprochen, wie ihr eure Beziehung gestalten wollt?
Isabelle:
Nicht direkt. Es hat sich bei uns organisch entwickelt. Aber wir haben immer wieder Gespräche darüber, wie wir Dinge besser machen können – und das ist, glaube ich, entscheidend.
Merlene:
Das finde ich inspirierend. Ich glaube, viele können von solchen Gesprächen profitieren.
Merlene:
Jetzt noch eine andere Frage: Du hast ja viele Speaking Engagements. Für jemanden wie mich, der gerade angefangen hat, Events zu moderieren – wie baue ich das weiter aus?
Isabelle:
Erstens: Wir beide sollten uns bei einer Speaker-Agentur anmelden. Pinky Promise?
Merlene:
Pinky Promise!
Isabelle:
Das hilft schon mal, weil Speaker-Agenturen dir oft Plattformen bieten. Aber du kannst auch selbst proaktiv sein. Ich schreibe manchmal direkt Veranstalter:innen bei LinkedIn an und pitchte ihnen ein Thema, das zu ihrem Event passt. Dabei ist es wichtig, den Mehrwert klarzumachen: „Was bringt es der Veranstaltung, wenn ich dabei bin?“
Außerdem habe ich mir eine kleine Website erstellt, auf der alles Wichtige über mich steht – meine Themen, meine bisherigen Auftritte, und so weiter. Das macht es für andere super einfach, „Ja“ zu sagen.
Und noch etwas: Ich sage zu fast allem erstmal „Ja“. Manchmal ergibt sich aus einem Engagement etwas völlig Neues. Selbst wenn es auf den ersten Blick nicht nach viel aussieht, kann es sich lohnen.
Merlene:
Das klingt nach einem sehr offenen Ansatz. Aber ist das nicht auch manchmal anstrengend?
Isabelle:
Klar, es gibt Momente, in denen ich mich frage: „Warum habe ich da zugesagt?“ Aber meistens passiert dann etwas Unerwartetes, das es wert war. Ich glaube, man muss die Balance finden zwischen „Ja sagen“ und Grenzen setzen.
Merlene:
Das ergibt Sinn. Und wie sieht es mit deiner eigenen Personal Brand auf Social Media aus? Hast du Tipps, wie man dort erfolgreicher wird?
Isabelle:
Ich würde sagen, finde eine Plattform, auf der du dich wohlfühlst, und fang einfach an. Du kannst auch überlegen, ob du Inhalte komplett selbst hosten willst, zum Beispiel auf einem eigenen Blog oder Substack, oder ob du mit Dritten zusammenarbeiten möchtest, wie bei einer Kolumne.
Was ich bei dir spannend finde, ist, dass du durch diesen Podcast schon viele tolle Geschichten sammelst. Das ist ein riesiges Asset, das du nutzen könntest – zum Beispiel, indem du Empfehlungen oder Highlights aus den Gesprächen teilst.
Merlene:
Das ist ein guter Punkt. Ich glaube, ich sollte das wirklich umsetzen.
Isabelle:
Mach das! Und nutze uns alle als Multiplikatorinnen. Wenn jede von uns dir zwei weitere Leute empfiehlt, die hier sitzen könnten, hast du schnell eine große Runde spannender Gäste.
Merlene:
Das stimmt. Ich sehe schon die Clickbait-Titel: „OnlyFans, Schneeballsysteme und Hochzeitsanträge.“
Isabelle:
Perfekt! Aber wir brauchen noch ein schmutziges Wort, um den Titel richtig spannend zu machen.
Merlene:
Das kriegen wir hin. Aber zurück zum Thema: Wenn jemand in die Marketing- oder Werbebranche einsteigen möchte, was würdest du als ersten Schritt empfehlen?
Isabelle:
Selbst Content zu erstellen. Das kann alles sein: Social-Media-Content für kleine Unternehmen, UGC (User Generated Content) oder eigene Projekte. Die besten Jobs entstehen oft, weil jemand sagt: „Ich mache das.“
Ein gutes Beispiel sind Start-ups, die viral gehen, weil eine Person im Team Social Media komplett ownen und lieben gelernt hat.
Außerdem würde ich empfehlen, auf Branchen-Events zu gehen und Kontakte zu knüpfen. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu zeigen und vernetzen.
Merlene:
Das finde ich einen tollen Tipp. Gibt es einen speziellen Ratschlag, den du mir geben würdest?
Isabelle:
Ja, ich glaube, du solltest überlegen, warum du Kolumnen schreiben willst. Willst du die Reichweite eines Magazins nutzen oder einfach deine Gedanken teilen? Beides ist legitim, aber es ist wichtig, das für dich zu klären.
Und: Nutze deine Geschichten! Du hast mit diesem Podcast schon so viel Material, das du weiterverwerten könntest.
Merlene:
Das stimmt. Danke dir für die ganzen Tipps.
Isabelle:
Sehr gerne.
Merlene:
Abschließend frage ich alle Gäste: Wenn du zurückblickst auf dein 18-jähriges Ich, was würdest du ihr mit auf den Weg geben?
Isabelle:
Ich würde ihr sagen: „Sei nicht zu beschäftigt damit, cool zu sein.“
Ich war immer eher leidenschaftlich und begeistert von Dingen, statt das „Mysterious Cool Girl“ zu sein. Und das ist gut so. Ich habe letztens einen Satz gelesen, der genau das beschreibt: „You found it cringe, I found it fun – and that’s the difference.“
Es ist so viel schöner, einfach Spaß an Dingen zu haben, statt sich Gedanken darüber zu machen, was andere denken.
Merlene:
Das ist ein wunderbares Schlusswort. Danke, dass du da warst, Isabelle.
Isabelle:
Danke dir. Es war wirklich schön.
Merlene:
Ich bin gespannt, wo wir beide in einem Jahr stehen. Vielleicht machen wir dann eine Part Two.
Isabelle:
Das wäre toll.
Merlene:
Bitte abonniert diesen Podcast – und bis zum nächsten Mal!
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