Podcast Transkript - Elisabeth L'Orange, Partnerin bei Deloitte Data & AI
- Rabia Kayhan
- vor 5 Tagen
- 14 Min. Lesezeit
Podcast-Transkript: Elisabeth L'Orange & Marlene
Marlene:Hi, ich bin Marlene und ich treffe mich jede Woche mit Frauen in Führungspositionen, um mit ihnen über ihren Karriereweg zu sprechen. Ziel ist es dabei, auch wenn wir heute noch nicht 50-50 auf Führungsebenen haben, den nächsten Generationen eine Vielfalt an Vorbildern zu bieten. Mein heutiger Gast ist Elisabeth L'Orange.
Die Hamburger Queen of AI hat Ende 2023 13 Millionen Euro für ihr Startup eingesammelt. Seit Februar ist sie Partnerin bei Deloitte für Data & AI. Wieso sie trotz ihres Jura-Studiums nie Anwältin geworden ist und warum ich sie und Doppelgänger Pip gemeinsam auf jeder KI-Bühne sehe, erzählt sie heute.
Ich habe dich Anfang des Jahres zum Jahresstart getroffen – mein Glück! Und du hast mir großartige News erzählt. Darüber würde ich jetzt ganz gerne mit dir sprechen. Könntest du in zwei, drei Sätzen deine Karriere der letzten drei Jahre zusammenfassen?
Elisabeth:Soll ich drei Jahre oder ganz schnell erzählen, wie es alles begonnen hat? Oder soll ich gleich die letzten zehn Jahre erzählen?
Marlene:Gerne kurz und knackig!
Elisabeth:Okay, also ganz kurz:
Ich habe Jura studiert und dann einen Master in Banking und Finance gemacht. Im Rahmen des Masters habe ich am algorithmischen Trading geforscht und begann von dort an, mich extrem für künstliche Intelligenz zu interessieren. Danach habe ich mein erstes Unternehmen gegründet – ein Möbelladen mit Online- und Offline-Shop.
Später war ich CFO in einem Tech-Unternehmen, das großen Fokus auf maschinelles Lernen hatte. Danach war ich VC (Venture Capitalist) und habe mir viele Deep-Tech-Investments angeschaut. Schließlich habe ich Oxolo gegründet, ein Gen-AI-Unternehmen zur automatisierten Erstellung von Marketing-Videos. Und jetzt, seit dem 1. Februar, bin ich Partnerin bei Deloitte für AI und Data.
Marlene:Krass! Was bedeutet es, Partnerin bei Deloitte zu sein?
Elisabeth:Partnerin zu sein – in diesem Fall Equity-Partnerin – bedeutet, dass man Anteile an dem Unternehmen kauft und im Gegenzug von der Performance des Unternehmens profitiert. Man ist also Teil eines Pools von Mitarbeitern, die sowohl für das Ergebnis verantwortlich sind als auch von der Upside profitieren.
Marlene:Und wie sieht das hierarchisch aus?
Elisabeth:Ich bin ja nicht so hierarchiegetrieben, aber es gibt etwa fünf, sechs Karrierestufen unterhalb der Partner-Ebene. Und selbst innerhalb des Partner-Daseins gibt es wieder verschiedene Stufen.
Ich habe gerade realisiert, dass es egal ist, wo du bist – es wird immer Leute geben, die über dir stehen. Selbst wenn du C-Level bei Google bist, gibt es immer noch das Board oder den Vorstand. Und es gibt immer jemanden, der noch mehr Verantwortung hat.
Marlene:Wie kam es dazu, dass du jetzt bei Deloitte angefangen hast? Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du eine der ersten Speakerinnen für „Leadher“ und hast dein Startup Oxolo vorgestellt. Das ist doch ein ganz anderes Leben als das einer Partnerin bei Deloitte, oder?
Elisabeth:Ja, das stimmt. Ich wollte mehr mit AI machen, also wirklich AI-Implementierung in großen Unternehmen und an groß angelegten Projekten arbeiten – Unternehmen, die komplette Transformationen im Bereich künstliche Intelligenz durchlaufen.
Bei Oxolo war es so: Ab einer gewissen Größe wird es eher Verwaltung und Management. Du bist nicht mehr direkt an der Technologie dran, sondern kümmerst dich mehr um die Organisation und die Menschen. Ich wollte aber lieber mit großen Playern wie Google oder NVIDIA arbeiten.
Deloitte hat zum Beispiel eine NVIDIA-Partnerschaft, und ich finde es viel spannender, direkt an der Tech und am Geschehen zu sein. Außerdem denke ich, dass die großen Beratungen in Zukunft die größten Profiteure von der künstlichen Intelligenz sein werden. Schließlich werden viele mittelständische Unternehmen Beratung brauchen, um AI in ihre Prozesse zu implementieren. Niemand möchte die Verantwortung dafür allein tragen, also mandatieren sie lieber Deloitte.
Das Spannende für mich ist: Ich trage nicht das Risiko, habe aber trotzdem die Upside. Gleichzeitig bin ich immer noch eine der größten Anteilseignerinnen bei Oxolo, behalte also meine Anteile. Es ist wirklich das Beste aus beiden Welten.
Marlene:Oxolo macht ja gerade auch eine Veränderung durch, wenn ich mich richtig erinnere. Das letzte Mal wart ihr noch eine B2B-Plattform. Mittlerweile macht ihr B2C, richtig?
Elisabeth:Ja, die Frage ist, wer der Kunde ist. Das Produkt wurde in „Himala“ umbenannt, und es ist jetzt ein AI-Agent.
Das funktioniert wie ein digitales Gehirn für dich: Du kannst all deine Daten – aus Dropbox, Gmail oder egal welchem Ökosystem – hineinwerfen und darauf basierend Fragen stellen. Der Chatbot wird darübergelegt, und deine Mitarbeitenden oder Kolleg:innen können ihn nutzen, wenn du im Urlaub bist oder gerade beim Mittagessen sitzt. Es ist quasi wie ein zweites Gehirn.
Momentan arbeiten sie an einem richtig guten Prototyp. Die Zielgruppe sind kleinere Selbstständige und KMUs (kleine und mittlere Unternehmen). Davon gibt es in Deutschland unglaublich viele. Für diese Zielgruppe ist es wahnsinnig relevant, von den Zeitersparnissen und Effizienzsteigerungen der künstlichen Intelligenz zu profitieren.
Marlene:Ich würde gerne noch einmal darauf zurückkommen, wie du überhaupt zu AI gekommen bist. Seit ein paar Jahren – vielleicht zwei oder drei – ist KI ja ein richtiges Ding. Vor allem durch Anwendungen wie ChatGPT hat es enorm an Bekanntheit gewonnen. Aber davor war es eher unter dem Radar. Wie bist du auf das Thema gekommen? Du hast ja Jura studiert, richtig?
Elisabeth:Ja, genau, ich habe Jura studiert. Aber mein Master – ein LLM – befasste sich mit algorithmischem Trading. Das war 2011. Das bedeutet, ich beschäftige mich seit 2011 mit KI und den Modellen, die dahinterstehen.
Marlene:Wow! Und wieso hast du nie Jura praktiziert?
Elisabeth:Weil es mega langweilig ist. Ehrlich gesagt, ich habe damals in New York gelebt und Kanzleien interviewt. Ich erinnere mich, wie ich in diesen trockenen Büros stand, mich umsah und dachte: „Wow, wenn das mein Leben für die nächsten 40 Jahre wird, gehe ich ja ein wie eine Primel.“
Das Jura-Studium ist, glaube ich, eines der größten Scams. Es dauert viel zu lange, besonders für Frauen, gerade in Deutschland. Wir machen viel zu spät Abitur. Ich habe mit 20 mein Abitur gemacht, was schon spät ist. Danach dauert das Studium ewig. Die meisten Berufsanfängerinnen sind dann 32 oder 33, bevor sie überhaupt anfangen zu arbeiten.
Das kollidiert natürlich komplett mit Dingen wie Kinderplanung oder heiraten – wenn das der Weg ist, den man wählen möchte. Aber ich kann es niemandem empfehlen. Die Rush Hour des Lebens, also die Zeit zwischen 25 und 45, ist die Phase, in der man so viel wie möglich auf die Reihe kriegen sollte. Das Jura-Studium hindert einen daran.
Marlene:Das ist eine interessante Denkweise. So habe ich das noch nie gehört. Viele legitimieren ja das intensive Jura-Studium und die großen Examina damit, dass es sich am Ende auszahlt.
Elisabeth:Ja, aber überleg doch mal, wie viel Jurist:innen verdienen. Selbst als Partner: Wenn du es bei CMS oder einer vergleichbaren Kanzlei schaffst, verdienst du vielleicht so viel wie ein guter Unternehmer im zweiten Jahr.
Marlene:Okay, verstehe.
Elisabeth:Es lohnt sich einfach nicht. Überleg dir, wie lange es dauert, bis du dort ankommst! Und welche persönlichen Opfer das bedeutet: Du hast diesen immensen Stress, das intensive Studium, und am Ende zahlt dir das niemand zurück. Du verlierst so viel Zeit, die du in anderen Bereichen – mit valider Erfahrung in Unternehmen – hättest nutzen können.
Marlene:Klingt logisch. Du hast auch drei Kinder. Wann in deiner stressigen Karriere hast du Kinder bekommen?
Elisabeth:Am Ende des Studiums, also während meines LLMs. Dann während der Gründung meines ersten Unternehmens. Ich erinnere mich, wie ich meine sieben Tage alte Tochter im Maxi-Cosi mit in den Laden gebracht habe.
Es war sehr intensiv. Aber ich war auch jung. Ich habe meine Kinder Mitte 20 bekommen, und Anfang 30 hatte ich bereits drei Kinder. In Retrospekt würde ich es immer wieder so machen. Aber ich muss zugeben, dass die ersten zehn Jahre extrem hart waren. Kleine Kinder, Studium, Firmengründung – das war ultra stressig.
Währenddessen haben meine Freunde gefeiert und waren in Berlin unterwegs, und ich habe nonstop Windeln gewechselt. Ich habe mich auch oft bei meinen Freunden beschwert. Aber jetzt im Nachhinein ist es viel angenehmer.
Meine Kinder sind total unabhängig. Mein Sohn wird bald 16. Sie sind autark, ich muss sie nirgendwo mehr hinfahren oder abholen, keine Windeln wechseln, keine Kinderwagen mehr.
Marlene:Das fand ich auch so cool, dass du das in deinem Vortrag Anfang 2024 erwähnt hast: Mit kleinen Kindern ist Gründen schwieriger, aber sobald sie in der Pubertät sind, muss man zwar noch da sein, aber sie sind schon viel selbstständiger. Ich habe manchmal das Gefühl, Frauen schließen die Option zu gründen für sich aus, weil sie denken, es geht nicht mit Kindern. Aber es gibt ja verschiedene Zeitpunkte im Leben, und das fand ich richtig wertvoll, dass du das noch mal gesagt hast.
Elisabeth:Ja, das ist wirklich so. Mit kleinen Kindern ist es schwierig, aber es ist nicht unmöglich. Es gibt verschiedene Phasen im Leben, in denen man Dinge anders priorisieren kann.
Marlene:Das kam bei deinem Vortrag auch richtig gut an. Ich habe sehr positives Feedback bekommen. Viele meinten, das war der interessanteste Vortrag, weil du so viele Insights zum Thema KI hattest.
Jetzt befinden wir uns in einer spannenden Zeit. Anfang 2024 gab es diese hässlichen Videos wie „Will Smith isst Spaghetti“, die noch richtig schlecht waren. Mittlerweile sind die Technologien viel besser. Hast du irgendwelche Insider-Infos zu dem Thema?
Elisabeth:Ja, zweierlei. Zum Thema „Stargate“: Es ist keine öffentliche Initiative, wie viele glauben. Es wurde oft falsch verstanden, dass die amerikanische Regierung so viel in KI investiert. Tatsächlich ist es ein Konglomerat aus Oracle (das einzige amerikanische Unternehmen), OpenAI und Investoren wie dem Sovereign Wealth Fund aus den Emiraten und Softbank.
Das Geld kommt also größtenteils aus Japan, den Emiraten und ein bisschen aus den USA. Die Initiative läuft schon seit Jahren. Die Rechenzentren, die gebaut werden, sind seit Langem in Planung.
Es ist auch nicht Trumps Initiative, wie oft behauptet wird. Die US-Regierung hat hier nicht direkt investiert, sondern es ist eine private Initiative.
Marlene:Und braucht es wirklich so viele Rechenzentren und hohe Investitionen, um in der KI voranzukommen?
Elisabeth:Nicht unbedingt. Ein Beispiel ist DeepSea. Sie haben bewiesen, dass es auch mit weniger Ressourcen geht. Es gab Berichte, dass sie nur 6 Millionen Dollar für das Training ausgegeben haben – was natürlich nicht ganz stimmt. Aber es zeigt, dass Innovation auch mit weniger Mitteln möglich ist.
Ein weiteres Thema ist der Handel mit Chips. Aus Singapur wurden Nvidia-Chips nach China geschmuggelt, trotz Exportbeschränkungen der USA. Damit konnten sie ihre Modelle trainieren. Das zeigt, dass es immer Wege gibt, solche Hürden zu umgehen.
Marlene:Und was bedeutet das für OpenAI?
Elisabeth:Das ist spannend. OpenAI verdient hauptsächlich durch die kleinen 20-Dollar-Abos. Aber mit Open Source-Alternativen könnte diese Einnahmequelle wegbrechen. Die Frage ist: Wie rechtfertigen sie das und wie reagieren sie darauf?
Marlene:Ich habe gestern einen Podcast dazu gehört – „Hard Fork“ von der New York Times. Einer der Hosts meinte, er hofft, dass sich etwas verändert. Er hat auch einen neuen OpenAI-Agent getestet, der für ihn etwas buchen konnte. Es hat ihn 200 Dollar gekostet. Hast du das schon ausprobiert?
Elisabeth:Nein, tatsächlich nicht.
Marlene:Ich freue mich darauf, wenn KI wirklich so weit ist, dass sie solche Aufgaben übernehmen kann. Momentan muss man immer noch Prompts eingeben und die Ergebnisse nachbearbeiten. Das ist manchmal anstrengend.
Elisabeth:Ja, die UX und UI sind oft noch nicht gut genug. Alles hängt auch von den Schnittstellen ab. Bis die Systeme nahtlos miteinander kommunizieren können, dauert es wohl noch 12 bis 24 Monate. Aber die technischen Voraussetzungen sind da.
Marlene:Mir fällt gerade auf, wie sehr ich es liebe, dir zuzuhören, wenn du über das Thema sprichst. Ich muss auch sagen, dass alle Veranstaltungen, bei denen du sprichst – oft im Duo mit Pip – meine Favoriten sind. Ihr seid echt mein Lieblings-KI-Duo.
Elisabeth:Danke! Ich glaube, deswegen werden wir oft zusammen gebucht. Pip kommt mehr aus der Theorie, ich aus der Praxis.
Marlene:Ich bin auch ein großer Fan des Doppelgänger-Podcasts und eures „Tech & Tales“-Podcasts.
Elisabeth:Ja, der Doppelgänger-Podcast ist klasse, weil sie diese ständige Interaktion haben. Das macht es leicht, sich mit ihnen zu identifizieren. Bei meinem Podcast fehlt mir das manchmal. Mein Co-Host musste leider aufhören, weil es einen vertraglichen Konflikt mit ihrem Arbeitgeber gab. Das war echt schade. Jetzt mache ich allein weiter und lade wechselnde Gäste ein. Aber die Dynamik eines festen Duos ist schon besonders.
Marlene:Was ich an deinem Podcast so toll finde, ist, dass du Stellung zu bestimmten Themen beziehst und Dinge einordnest, wie es sonst kaum jemand tut. Besonders in der ersten Folge fand ich es spannend, wie du über Migration und Gründung in den USA gesprochen hast – darüber, dass viele Gründer:innen dort aus dem Ausland kommen. Das ist eine Perspektive, die man selten hört.
Elisabeth:Ja, das Thema ist wahnsinnig wichtig. Migration ist eigentlich ein reines Zahlenspiel. Egal, wie du politisch eingestellt bist: Wir haben in Deutschland einen riesigen Wasserkopf in der Gesellschaft. Es hören jedes Jahr mehr Leute auf zu arbeiten, als neue hinzukommen – um etwa 500.000.
Das kannst du nicht einfach mit „mehr Kinder bekommen“ lösen. Wer soll das zahlen? Und wie willst du das machen ohne Migration? Es geht nicht.
Deutschland macht es Migrant:innen aber auch unnötig schwer. Ich habe ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Einige meiner Entwickler kamen aus Syrien. Sie mussten Formulare beim Ausländeramt ausfüllen, die nur auf Deutsch verfügbar waren – nicht auf Englisch. Diese promovierten Mathematiker wären fast abgeschoben worden, obwohl sie perfektes Englisch sprechen, aber eben kein Deutsch.
Marlene:Das ist unglaublich.
Elisabeth:Ja, und das zeigt, wie kompliziert das System hier ist. Deutschland sollte sich ein Beispiel an den USA nehmen. Sie ziehen die brillantesten Köpfe an, nicht nur durch hohe Gehälter, sondern auch durch eine freie Gesellschaft und attraktive Rahmenbedingungen.
Deutschland könnte das auch schaffen, wenn wir es politisch auf die Reihe bekämen.
Marlene:Was hat dich eigentlich dazu gebracht, nicht in New York zu bleiben?
Elisabeth:Die Kosten. Es ist unglaublich teuer, mit zwei Kindern in Manhattan zu leben. Wir haben es eine Zeit lang gemacht, aber irgendwann fragst du dich, ob das wirklich auf Dauer sinnvoll ist.
Außerdem ist das Leben in Manhattan für Kinder recht einschränkend. Der einzige grüne Fleck ist der Central Park. Ich habe auch in London gelebt, was ähnlich war. Aber langfristig brauchst du einfach mehr Raum und Natur.
Marlene:Darf ich fragen, was dein Partner macht?
Elisabeth:Er hat eine Firma im Bereich Private Equity und baut Solaranlagen in der Karibik. Es ist ein sehr nischiges Geschäft – Infrastruktur im weiteren Sinne, nicht nur Solaranlagen, sondern auch Windkraft. Sein Markt ist hauptsächlich die USA und die Karibik, daher arbeitet er in einer anderen Zeitzone.
Das passt aber gut, weil wir uns die Betreuung der Kinder aufteilen. Ich habe vormittags und tagsüber die Hauptzeit, und er arbeitet eher abends. So ergänzen wir uns.
Wenn beide Partner selbstständig oder Unternehmer:innen sind, verstehen beide, was es braucht. Wir machen keine großen Absprachen – jeder gibt einfach sein Bestes, und der andere übernimmt den Rest.
Marlene:Das klingt nach einer guten Balance.
Wenn du bis hierhin gehört hast und unser Gespräch dich bewegt hat, könntest du uns enorm helfen, mehr Sichtbarkeit für „Leadher“ zu schaffen, indem du diesen Podcast abonnierst, bewertest oder kommentierst. Danke!
Eine Frage habe ich noch: Du bist in den letzten Monaten oder Jahren zu einer der prominentesten Stimmen im Bereich KI aufgestiegen. Wie hast du das geschafft?
Elisabeth:Das ist ein langer Prozess – eher Jahre, nicht Monate. Expertise zu kommunizieren, ist kompliziert, besonders als Frau. Es ist leicht, sich dazu verleiten zu lassen, mit Selfies billige Klicks auf Social Media zu generieren.
Ich habe das nie gemacht. Auf LinkedIn habe ich nie Selfie-Content gepostet, sondern immer nur Inhalte zu KI, Deep-Tech, Geopolitik und ähnlichen Themen. Das kann ich jeder Frau raten: Fokus auf Inhalte statt auf Clickbait.
Marlene:Das ist ein guter Punkt.
Elisabeth:Es ist auch wichtig, sich eine Nische zu suchen und diese zu besetzen. Ich würde nicht empfehlen, sich auf sogenannte „Frauenthemen“ wie HR oder Diversity zu konzentrieren. Diese Themen sind wichtig, aber wenn man ausschließlich darüber spricht, wird man leicht in eine Ecke gedrängt.
Außerdem finde ich, dass Rage-Engagement – also Aufmerksamkeit durch negative Emotionen – zwar kurzfristig funktioniert, aber langfristig nicht zielführend ist. Ich habe nie über negative Erfahrungen gesprochen, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
LinkedIn ist eine tolle Plattform, um inhaltlichen Content zu fördern. Aber man muss bei sich selbst anfangen: Wenn du besseren Content sehen willst, poste selbst besseren Content. Und like keinen Müll.
Marlene:Das ist ein super Hinweis: Man hat selbst Einfluss darauf, welchen Content man sieht, indem man bewusst auswählt, was man liked oder ignoriert.
Würdest du sagen, dass Netzwerken eine große Rolle in deiner Karriere gespielt hat?
Elisabeth:Definitiv, aber ich finde den Begriff „aktives Netzwerken“ manchmal schwierig. Es klingt so, als würde man gezielt Leute ansprechen, um sie für die eigene Karriere zu nutzen. Für mich geht es eher darum, dass man ein echtes Interesse an anderen Menschen hat – an ihren Geschichten, Karrieren und Persönlichkeiten.
Marlene:Das klingt viel natürlicher.
Elisabeth:Ja, und ich denke, es ist genauso wichtig, dass du selbst jemand bist, der für andere interessant ist. Wenn du nur „saugst“, also nichts zu bieten hast, wird dich niemand aktiv kontaktieren. Aber wenn du Expertise in einem Bereich hast, eine witzige Person bist oder etwas Einzigartiges mitbringst, denken die Leute an dich.
Ich habe nie aktiv Netzwerken betrieben. Ich war einfach immer sehr sozial, habe viel gefeiert, war viel unterwegs und hatte einen großen Freundeskreis. Wir haben uns gegenseitig inspiriert und unterstützt.
Marlene:Das ist spannend. Also würdest du sagen, man sollte sich überlegen, mit wem man Zeit verbringt?
Elisabeth:Ja, absolut. Mein Freundeskreis bestand immer aus interessanten Leuten, weil ich mich einfach für sie interessiert habe – und sie sich für mich. Man muss im Kleinen anfangen.
Letztlich bist du immer der Durchschnitt der fünf Menschen, mit denen du am meisten Zeit verbringst. Je weiter das Leben voranschreitet, desto weniger Zeit hast du für neue Freundschaften. Meine besten Freundinnen sind alle aus der Schulzeit. Aber trotzdem ist es wichtig, dass du „etwas auf den Tisch bringst“, also einen Mehrwert für andere hast.
Marlene:Das ist eine schöne Herangehensweise. Netzwerken ist in den letzten Jahren so zu einem Buzzword geworden. Viele denken, es geht darum, auf Events zu gehen und möglichst viele Kontakte zu sammeln. Aber eigentlich geht es doch darum, echte Verbindungen aufzubauen.
Elisabeth:Genau. Es geht nicht darum, wie viele Kontakte du auf LinkedIn hast, sondern um die Qualität der Beziehungen. Zwei Beispiele dazu:
Ein sehr guter Freund von mir hat Netzwerken regelrecht „getimboxed“ – er hat jeden Morgen eine Stunde nur dafür reserviert. Er hat Leute angerufen, Geburtstagskarten verschickt und alles getan, um seine Kontakte zu pflegen. Das finde ich beeindruckend, aber für mich wäre das nichts.
Ein anderer Freund von mir ist inzwischen so erfolgreich, dass er keine Lust mehr auf klassisches Netzwerken hat. Wenn er auf Events geht, spricht er immer mit den Leuten, die wie „Outlier“ aussehen – also die, die nicht so recht in die Umgebung passen.
Eine witzige Geschichte dazu: Er war auf einem Event in Los Angeles und hat sich neben eine Frau gesetzt, die ein bisschen anders aussah als der Rest. Er dachte, sie sei ein Escort und fand das witzig. Dann setzte sich Jeff Bezos neben sie – es war seine Frau.
Marlene:Was für eine Geschichte!
Elisabeth:Ja, solche Sachen passieren, wenn man offen für Ungewöhnliches ist. Aber ich glaube, Introvertierte sollten sich keinen Druck machen, plötzlich extrovertierte Netzwerker:innen zu werden. Es geht darum, authentisch zu bleiben und etwas zu bieten, das andere Menschen interessiert.
Marlene:Das ist ein tolles Fazit. Ich glaube, du bist eine der vielseitigsten Podcast-Gäste, die ich je hatte. Dein Lebenslauf ist beeindruckend: Jura-Studium, Möbelladen, Tech-Unternehmen, Venture Capital und jetzt Deloitte.
Elisabeth:Danke dir! Rückblickend war mein Weg immer unternehmerisch geprägt. Selbst in der Corporate-Welt habe ich immer versucht, unternehmerisch zu denken und zu handeln.
Marlene:Hast du einen Tipp für jüngere Hörerinnen, die gerade in der Corporate-Welt anfangen?
Elisabeth:Ja. Ich denke, der Corporate-Weg ist zu Beginn sinnvoll, besonders wenn man Kinder hat. Es gibt Netzwerke, Teilzeitmodelle und andere Sicherheiten. Aber ich würde empfehlen, nicht zu lange in einem Unternehmen zu bleiben.
In Deutschland neigen viele dazu, 15 oder 20 Jahre bei einem Unternehmen zu bleiben – zum Beispiel bei Siemens. Das ist bequem, aber du machst so keine Karriere. Karriere machst du, wenn du horizontal wechselst, also zu einem Konkurrenten gehst oder in eine andere Branche.
Marlene:Das ist ein wertvoller Tipp.
Elisabeth:Ja, und wenn du dafür wechseln musst – mach es einfach. Es ist kein Problem.
Marlene:Damit hast du fast schon meine letzte Frage beantwortet. Ich frage meine Gäste oft, was sie ihrem jüngeren Ich raten würden – also dem Ich, das gerade aus der Schule kommt. Aber dein Tipp, nicht zu lange in einem Unternehmen zu bleiben und mutig zu wechseln, ist schon sehr wertvoll.
Gibt es noch eine Eigenschaft an dir, von der du dir wünschst, dass deine Kinder sie annehmen?
Elisabeth:Ja, ich glaube, was ich immer unterschätzt habe, ist, wie wertvoll Kreativität ist. Eigentlich wollte ich Kunst studieren. Ich hatte sogar eine Mappe für die HFBK (Hochschule für bildende Künste) vorbereitet. Ich war im Kunstleistungskurs und hatte die beste Klausur im Jahrgang – total unerwartet.
Im tiefsten Inneren bin ich eine Künstlerin. Und vielleicht vertiefe ich das irgendwann wieder, wenn ich mehr Zeit habe. Aber Kreativität ist so eine massiv unterschätzte Fähigkeit. Eigentlich ist jedes Projekt, das ich mache, für mich wie ein Kunstwerk.
Das wünsche ich meinen Kindern wirklich. Kreativität zahlt sich aus, oft ohne dass man es direkt merkt.
Marlene:Und sind deine Kinder kreativ?
Elisabeth:Ja, meine mittlere Tochter ist sehr künstlerisch begabt. Die anderen beiden haben es auch in sich, aber Kreativität muss man trainieren.
Marlene:Das finde ich toll. Ich würde vorschlagen, dass wir bald noch mal ein Gespräch führen. Vielleicht in ein paar Wochen oder Monaten, wenn du in deiner neuen Position bei Deloitte angekommen bist oder es Neuigkeiten im Bereich KI gibt.
Elisabeth:Sehr gerne. Vielen Dank, dass ich heute dabei sein durfte.
Marlene:Vielen Dank dir, Elisabeth!
Elisabeth:Stop – bitte abonniere diesen Podcast! Okay, bye!
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